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Selbstbestimmung
in der beruflichen
Vorsorge

KONSTANTIN WYSER, PARTNER UND VORSORGE-EXPERTE BEI SWISSPARTNERS, IM GESPRÄCH ÜBER DIE HERAUSFORDERUNGEN IM SCHWEIZER 3-SÄULEN-SYSTEM UND SPANNENDE POTENZIALE IN DER BERUFLICHEN VORSORGE FÜR BESSERVERDIENENDE.

Das Interview führte Kathrin Meister.

Ein arbeitstätiger junger Mensch muss immer mehr ältere Personen durch seine AHV-Beitragszahlungen mitfinanzieren.“

Herr Wyser, das 3-Säulen-System wurde als Vor­sorge­system 1972 in der Schweizer Bundesverfassung ver­ankert. Rund 50 Jahre später haben sich wichtige Parameter geändert. Wo liegen die aktuellen Heraus­forderungen?

Das grösste Risiko ist sicherlich der demographische Wandel: Wir haben in der Schweiz eine steigende Le­­bens­erwartung bei sinkenden Geburtenraten. 1948, als die AHV/IV – die heutige 1. Säule – eingeführt wurde, wurde ein Schweizer im Schnitt weniger als 70 Jahre alt. Bei einem Renten-Beginn von 65 Jahren (Männer) mussten die Leistungen also knapp fünf Jahre reichen. Heute wird ein Schweizer im Schnitt 84 Jahre alt. Wenn jemand mit 65 pensioniert wird, muss das angesparte Alterskapital deutlich länger reichen, nämlich fast 20 Jahre. Die Zusammensetzung unserer Gesellschaft hat sich stark verändert und der demographische Wandel wird in Zukunft noch stärker zum Tragen kommen. In der Kon­sequenz bedeutet das für einen arbeitstätigen jungen Menschen, dass er im Schnitt immer mehr ältere Personen durch seine AHV-Beitragszahlungen mitfinanzieren muss. Die AHV gerät in Bedrängnis, weil sie für einen wegen der Alterung stetig steigenden Bevölkerungsteil Renten finanzieren muss.

Ich sehe chancenreiches Potenzial in innovativen Konzepten von Kadervorsorgemodellen.“

Wie kann man dieses Dilemma lösen?

Pragmatisch betrachtet sehe ich drei Lösungsansätze: Entweder man reduziert die Höhe der Rentenleistungen. Oder man setzt die Beiträge der arbeitstätigen Bevölkerung herauf. Eine dritte Möglichkeit wäre, die Men­schen erst später zu pensionieren, zum Beispiel mit 70 Jahren. Denn seien wir doch mal ehrlich: 65-Jährige sind heute alles andere als „alt“ – viele sind so fit, dass sie noch locker einen Marathon laufen können. Warum sollten sie dann nicht weiter dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen? Der Bedarf wäre sicherlich gegeben. Das Problem ist, dass alle drei Ideen wohl bei den jeweils Betroffenen auf Widerstand stossen würden.

Vor etwa 20 Jahren gab es eine Reform in der beruflichen Vorsorge be­züglich der Umwandlungssätze. Wie beeinflusst diese Veränderung die Sicherung des Lebensstandards im Alter?

Durch die Reform werden seit 2005 nur noch Lohnbestandteile bis rund 90.000 CHF Jahresgehalt im obligatorischen Teil versichert und später zu einem Satz von aktuell 6.8 Prozent umgewandelt. Alle Lohnbestandteile über diesen 90.000 CHF werden im Überobligatorium geführt – was bedeu­tet, dass die Versicherung bestimmt, wie hoch Umwandlungssatz und Ver­zinsung sind und wie hoch die Rente entsprechend ausfällt. Durch diese Änderung fielen die Rentenleistungen für Besserverdienende in Summe deutlich geringer aus – was einen regelrechten Schock ausgelöst und zu einem Umdenken geführt hat. Bisher ging jeder davon aus, dass die Rentenleistungen für einen gleichbleibenden Lebensstandard im Alter aus­reichen würden. Diese Selbstverständlichkeit ist ins Wanken geraten und hat einen starken Beratungsbedarf ausgelöst.

Das nachhaltig tiefe Zinsumfeld stellt eine weitere He­raus­forderung in der beruflichen Vorsorge dar.

Das ist richtig. Grundsätzlich müssen ja die Arbeitge­berInnen die RentnerInnen in der 2. Säule versichern. Traditionell kommen hier Vollversicherungsmodelle mit einem vorgegebenen Zinssatz zum Einsatz. Und hier liegt das Problem: Die Zinsen sind drastisch gesunken, tendieren im Überobligatorium oftmals gegen Null. Früher waren der Zins und die daraus resultierende Ren­dite „dritter Beitragszahler“ neben ArbeitgeberIn und ArbeitnehmerIn. Durchschnittlich zahlen Arbeits­tätige bis zu 40 Jahre lang in die Pensionskasse ein – da kamen im Laufe der Zeit dank der Zinseszinseffekte komfortable Beträge zusammen. Durch die nachhaltig niedrigen Zin­sen bzw. Nullzinsen ist dieser Effekt schon seit gerau­mer Zeit weggebrochen. Das ist ein echtes Problem.

Wo sehen Sie bei swisspartners Lösungsansätze, um hier gegenzusteuern?

In der 2. Säule gibt es recht spannende Möglichkeiten. Chancenreiches Potenzial sehe ich in innovativen Kon­zepten von Kadervorsorgemodellen. Hierbei handelt es sich um eine moderne, selbstbestimmte Form der gängigen Bel-Etage- oder Kaderkasse, die sogenannten 1e-Lösungen: Ein Unternehmen bietet seinen Mitarbeitenden mit mehr als rund 130.000 CHF Jahressalär die Möglichkeit, sein auf Lohnteilen über dieser Einkommensgrenze gespartes Pensionsguthaben nach eigener Chancen-Risiko-Bereitschaft auf ein diversifiziertes Wert­­schriftenportfolio aufzuteilen – selbstverständlich nicht eigenständig, sondern durch einen professionellen Ver­mögensverwalter.

Wo liegen die Vorteile für die Arbeitnehmenden?

Sobald der Arbeitgebende sich für eine Lösung ent­schei­det, bei der die Mitarbeitenden die Anlagestrategie im Überobligatorium selbst wählen können, profitieren sie gleich von mehreren Vorteilen, die ihnen im Bereich der beruflichen Vorsorge eine höhere Rentabilität ermöglicht.

Erstens haben die Arbeitnehmenden die Wahl, was für ein Risiko sie innerhalb dieses Anteils möchten. Je höher die Aktienquote, desto höher auch das Risiko – und gleichzeitig natürlich auch die Rendite-Erwartung. Bei einer hohen Aktienquote von über 50 Prozent (maximal bis zu 100 Prozent) liegt die Ren­diteerwartung im Schnitt zwischen 4 und 6 Prozent pro Jahr. Als Arbeit­nehmerIn hat man in diesem Anteil der beruf­lichen Vorsorge keine Verteilung der Zinserträge auf andere Vorsorgenehmer, sondern profitiert selbst vollständig von der Rendite; Umverteilungs-Effekte wer­­den umgangen. Darum sprechen wir in diesem Fall von Ent­solidarisierung.

Zweitens können die Mitarbeitenden bei diesen flexiblen Vorsorge-Lösungen häufig auch die Höhe der Sparantei­le selbst bestimmen: Während der Arbeitgebende die identischen Beiträge begleicht (innerhalb der gesetz­lichen Bestimmungen), gibt es Modelle, bei denen man als ArbeitnehmerIn die Wahl hat, welche Beitragshöhe man selbst einbringen möchte. Das eröffnet die Möglichkeit, mehr Geld für das Alter anzusparen.

Die nachhaltig niedrigen Zinsen bzw. Nullzinsen sind ein echtes Problem für die Rendite der Pensionskassengelder.“

Was ist mit dem Aspekt der Steuerersparnis?

Das ist ein grosser Vorteil der Vorsorgeoptimierung in der 2. Säule: Besserverdienende können, falls möglich, noch zusätzliche Einkäufe tätigen und diese von dem steuerbaren Einkommen absetzen. Je nach Grenzsteuersatz liegt das Einspar-Potenzial hier bei bis zu 50 Prozent. Das ist gerade bei Top-VerdienerInnen richtig viel Geld. Im Vergleich: Die 3. Säule bietet mit einem Limit von etwas über 7.000 CHF nur sehr begrenzte Möglichkeiten.

Sie wünschen sich also mehr Mitbestimmung für die berufliche Vorsorge?

Ja, definitiv. Es läge deutlich mehr drin, wenn wir alle innerhalb gewisser Rahmenbedingungen die Anlage unserer Pensionskassengelder beeinflus­sen könnten. Die Pensionskassen legen die Gelder für alle „gleichgeschal­tet“ an. Dabei wäre es doch viel besser, wenn jeder sein Guthaben so investieren könnte, wie es zu der individuellen finanziellen Situation passt – also gerne auch in chancenreiche Wertschriftenportfolios, wenn noch viele Jahre bis zur Pensionierung bleiben. Es ist ja so: Weil sie ihre berufliche Vorsorge nicht selbstbestimmt regeln können, wissen viele angeschlossene SchweizerInnen nicht einmal, wieviel Geld sie überhaupt in ihrer Pensionskasse angespart haben. Deshalb ist es gut, für die Thematik der beruflichen Vorsorge zu sensibilisieren. So würde sich jeder mehr Gedanken dazu machen – und je mehr Gedanken man sich macht, desto besser sollte man im Pensionsalter gestellt sein. Mehr Mit­spracherecht in der beruflichen Vorsorge würde das Interesse der Bevölkerung an Finanz- und Vermögensthemen und innovativen Vorsorgelösungen fördern.

Es läge deutlich mehr drin, wenn wir alle innerhalb gewisser Rahmenbe­dingungen die Anlage unserer Pensionskassengelder beeinflussen könnten.“

Für wen sind die Lösungen von swisspartners in der beruflichen Vorsorge interessant?

Wir adressieren damit UnternehmerInnen mit ihren Füh­rungskräften in kleinen und mittleren Unternehmen, die selbstbestimmt entscheiden möchten, worin ihre Pen­sionskassen investiert sind. Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber bzw. die Arbeitgeberin dieses Modell befürwortet und es grundsätzlich für alle besserverdienenden Mitarbeitenden öffnet. In der Schweiz gibt es zwar schon seit 2006 selbstbestimmte Pensionskassen-Lösungen. Diese Möglichkei­ten werden aber erst seit wenigen Jahren verstärkt nach­gefragt. Wir möchten gerne die Sensitivität für das Thema erhöhen.

In welcher Rolle wird swisspartners bei der beruflichen Vorsorge tätig?

Für die Kadervorsorge der beruflichen Vorsorge braucht es zwangsläufig immer eine Vorsorgestiftung. Dementsprechend verwalten wir diese Lösungen und Depots in Kooperation mit verschiedenen Stiftungsanbietern. Wir agieren dabei als Vermögensverwalter, so wie es die Pensionskasse auch macht. Die Arbeitnehmenden erteilen uns ein entsprechendes Mandat. Gemeinsam mit der versicherten Person wählt swisspartners als Vermögensverwalter eine individuelle Anlagestrategie aus, die sich aus verschiedenen Anlageklassen zusammensetzt. Es handelt sich um sehr komplexe Lösungen, für die es individuelle Beratungskompetenz braucht – auch hin­sicht­lich versicherungstechnischer und steuerlicher Aspekte. Hier können unsere KundInnen auf unser Know-how und unsere langjährige Expertise vertrauen.

Herr Wyser, würden Sie die Vorteile von innovativen Lösungen in der beruflichen Vorsorge noch einmal zu­sam­menfassen?

Durch die Selbstbestimmung in der 2. Säule haben KundIn­nen in der Tat eine Reihe von Vorteilen:
1. Steuersparinstrument: Die Beiträge und zusätzliche Einkäufe wirken sich steuersenkend aus.
2. Entsolidarisierung: Die KundInnen sparen nur noch für sich und nicht mehr für die Allgemeinheit.
3. Volle Partizipation an den Märkten: Chancenreiche Renditeaussichten durch einen langen Anlagehorizont.
4. Transparenz: Die KundInnen wissen, worin ihre Pen­sionskassengelder investiert sind. Sie kennen die Per­formance, Chancen und Risiken ihrer Depots.

Neben der Selbstbestimmung und Entsolidarisierung steht das Thema Steuerersparnis bei den meisten ganz oben auf der Agenda. Und schlussendlich haben wir eine Win-Win-Situation für ArbeitgeberIn und ArbeitnehmerIn: Während die Arbeitnehmenden mit einer attraktiven Rendite selbst am Markt partizipieren können, haben die ArbeitgeberInnen weniger Finanzverpflichtungen und zahlen häufig geringere Risikobeiträge.
Somit empfehlen wir jedem, sich um seine persönliche Vorsorgesituation zu kümmern – heute ist ein guter Zeit­punkt, um damit zu beginnen.

KONSTANTIN WYSER
Partner, Wealth Management

konstantin.wyser@swisspartners.com

Fotos © Karin Bischof

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