VERÄNDERUNG ALS CHANCE

VON PETER AHLUWALIA

Ein Anleger, der alle Antworten kennt, versteht nicht einmal alle Fragen.“

Sir John Templeton

Nicht schlecht bisher!

So könnte man die bisherige Marktentwicklung im Jahr 2023 zusammenfassen. Gleichzeitig gibt es den Witz des Optimis­ten, der von der Spitze des Empire State Building fiel und genau das sagte, während er im freien Fall ein Stockwerk nach dem anderen passierte …

„Faites vos jeux. Rien ne va plus.“ Mit diesen Worten beendet der Croupier beim Roulette die Platzierungen der Einsätze.

Noch immer setzen die AnlegerInnen wie besessen auf Zinsen und Inflation. Doch wer schon einmal ein Kasino besucht hat weiss, dass die Karten sich gegen die SpielerInnen ver­schwo­ren haben und keine Glückssträhne ewig anhält.

WAS WÄRE, WENN?

Manchmal kann es lustig und hilfreich sein, die gängige Meinung in Frage zu stellen mit der Überlegung: „Was wäre, wenn?“

WAS, WENN die einzigen, die sich für Zinsen und Inflation interessieren, die TeilnehmerInnen an den Finanzmärkten sind – und nicht die VerbraucherInnen in der Realwirtschaft? Stellen Sie sich doch einmal aus Verbrauchersicht folgende Frage: „Hält Sie der Preisanstieg bei Brot um 10 Prozent davon ab, jeden Morgen Toast zu essen?“ Schaut man sich das weltweite Verbraucherverhalten an, findet man kaum Anzeichen für eine deutliche Abschwächung des Konsums.

WAS, WENN das letzte Jahrzehnt mit niedrigen Zinsen und geringer Inflation eine Anomalie in der längerfristigen Be­trach­tung der Wirtschaftszyklen war – und wir jetzt zu einer normaleren Periode mit anhaltend höherer Inflation und höheren Zinssätzen zurückkehren? Nehmen wir Japan als Beispiel für ein Land, das jahrzehntelang niedrige Zinssätze hatte. Sieht man sich die Daten an, kann man zu dem Schluss kommen, dass das japanische Ex­peri­ment gescheitert ist – und dies als Beweis neh­men, dass niedrige Zinssätze kein angemessenes Wirtschaftswachstum erzeugen können.
Es ist nicht die stärkste Spezies, die überlebt, auch nicht die intelligenteste, sondern eher diejenige, die am ehesten bereit ist, sich zu verändern.“

Charles Darwin

WAS, WENN wir auf eine Ära zusteuern, in der durch den Arbeitskräftemangel die durchschnittlichen Arbeitnehmenden mehr Preissetzungsmacht haben und am Monatsende über mehr finanzielle Mittel verfügen? Das würde zwar die Ge­winn­spannen einiger Unternehmen schmälern, könnte aber auch zu einem positiven Kreislauf des Wirtschaftswachstums führen.
WAS, WENN Rezessionen vermieden werden und das Wirtschaftswachstum wieder anzieht? Dann bleiben die Zinssätze wahrscheinlich wesentlich länger auf einem höheren Niveau, als viele erwarten – aber spielt das überhaupt eine Rolle, wenn das Wirtschaftswachstum stark ist?
WAS, WENN wir den Höhepunkt des passiven Investierens erreicht haben und die Volkswirtschaften sich gut entwickeln, aber die Märkte weiter volatil bleiben (insbesondere die USA aufgrund ihrer einzigartigen Struktur)? Dann müssen die An­legerInnen höchstwahrscheinlich wieder lernen, wie man Un­ter­nehmensbilanzen und Fundamentaldaten analysiert, und deutlich härter arbeiten, um Renditen erzielen zu können.

WAS, WENN die seit rund 15 Jahren andauernde Outperformance und Dominanz des US-Aktienmarktes endlich zu Ende geht? Auch wenn dies angesichts der jüngsten Geschichte der Finanzmärkte für viele AnlegerInnen unglaublich klingt, ist eine der wichtigsten Lehren, die wir daraus ziehen müssen, dass nichts ewig währt.

 

Der starke Jahresauftakt an den Finanzmärkten hat die meis­ten AnlegerInnen überrascht. Aber vielleicht waren sie Ende letzten Jahres schlicht­weg zu pessimistisch eingestellt?  Meine Intuition (und mehr kann es nicht sein) sagt mir, dass wir Zeugen einer seismischen Verschiebung in der Weltwirtschaft und an den Märkten waren, wie wir sie seit über 30 Jahren nicht mehr gesehen haben. Während eine Rückkehr zur Normalität langweilig wäre, dürften die Auswirkungen auf die Finanzmärkte alles andere als das sein. Bedeutende Veränderungen können beängstigend sein, aber wie Charles Darwin sagte: „Es ist nicht die stärkste Spezies, die überlebt, auch nicht die intelligenteste, sondern eher diejenige, die am ehesten bereit ist, sich zu verändern.“

PETER AHLUWALIA | PARTNER
Chief Investment Officer
peter.ahluwalia@swisspartners.com

Illustration © Adobe Stock

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